Die meisten, so denke ich, kennen das Gleichnis von den verlorenen Söhnen, das Jesus in Lukas 15,11ff erzählt.
Ich weiß, das Gleichnis heißt in vielen Bibelübersetzungen „Vom verlorenen Sohn“, Einzahl. Das ist aber nicht korrekt, denn Jesus erzählt die Geschichte zweier Söhne, die beide verloren sind und von einem liebenden Vater, dessen Liebe zu seinen Söhnen alle Konventionen sprengt.
Interessant ist auch die Einleitung des Lukas zu seinem 15. Kapitel. Lukas erwähnt die vielen Sünder, die kamen um Jesus zu hören und wie die Religionsexperten, die religiöse Elite, daran Anstoß nehmen (Vers 1f).
Hier sind sie doch schon versammelt, die beiden Söhne und GOTT mittendrin.
Auf der einen Seite die Sünder, die meinen, sie hätten nichts mehr zu verlieren und ihr Leben mit Schwelgen und Prassen verbringen. Auf der anderen Seite die Religiösen, die streng nach GOTTES Geboten leben, sich keiner Schuld bewusst sind und damit an der Liebe eben dieses GOTTES vorbei leben.
Beide Gruppen, so macht Jesus es in Seinem Gleichnis deutlich, sind verloren, brauchen die Umkehr, hin zu der Liebe des Vaters.
Mir persönlich machen die Religiösen mehr Kopfzerbrechen als die, die in der Welt leben. Der Schaden, den sie anrichten, ist meist wesentlich größer als der der Sünder, die ihre Zeit mit Fressen und Wein saufen verbringen.
Wie eingangs erwähnt, haben die Predigten Jesu vor allem die Sünder angezogen. Das hat sich heute in den meisten unserer Gemeinden geändert. Hier treffen sich vor allem die älteren Söhne, die religiöse Elite unserer Tage, die sich in ihrem inneren Zirkel wohlfühlt und kein Verständnis und keine Liebe für die Sünder mehr hat.
Aber damit gehen wir an den Lehren Jesu vorbei, der seinen Auftrag in den verlorenen Schafen sah (Matthäus 15,24). Wenn unsere Gemeinden also nicht voller Sünder, voller Verlorener, Ausgestoßener und Verlierer ist, dann läuft, aus Jesu Sicht, etwas verkehrt!
Es ist ein Menschenschlag, mit dem der Umgang zugegebener Maßen schwierig ist. Aber genau diese Herausforderung ist unser Auftrag. Denn je mehr ein Mensch an unseren Nerven und unserer Liebe zehrt, desto mehr ist er von GOTT geliebt und Jesus möchte, dass genau Du durch Dein Leben diese Liebe sichtbar machst.
Lasst uns also anfangen, Jesu Liebe zu den verlorenen Schafen zu tragen, zu den Menschen, die uns herausfordern. Lasst uns jeden Menschen annehmen, wie er ist, ihn einfach sein zu lassen und ihn da abholen, wo er steht. Das bedingt, dass wir zuerst einfach nur zuhören, bevor wir anfangen zu reden oder gar die „Evangeliumskeule“ herausholen.
Das Recht, in das Leben eines anderen Menschen zu sprechen, muss ich mir nämlich erst verdienen. Durch Zuhören, Verständnis und Mitgefühl. Erst wenn sich unser Gegenüber so von uns angenommen fühlt, ist er auch bereit, sich zu öffnen und seinerseits uns zuzuhören.
Denn das ist das Evangelium, die Freudenbotschaft: Ja, Du darfst so sein wie Du bist, und Nein, Du musst nicht so bleiben wie Du bist! Du bist schon von GOTT angenommen und geliebt!
Lasst uns also die Liebe Jesu zu den verlorenen Söhnen und Töchtern unseres himmlischen Vaters tragen und die Welt damit ein klein wenig besser hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben…